Donnerstag, 16. August 2012

Träume anderer Leute


 Meiner Meinung nach ein unglaublich inspirierender Text und wahre Worte. Bestärkt mich nur, dieses "Ding" selbst und für mich durchzuziehen, auch wenn ich diese Millionen Fragen selbst in meinem Herzen trage und noch abertausende mehr. Das wird meine Zeit. Mein Leben. Alles ist möglich. Danke an die unglaubliche Autorin und Stepin für solche Möglichkeiten.
 
 
 
21.09.11

Work & Travel Australien: Tausend Fragen und noch mehr Antworten


Wie weit fort kann man reisen ohne schon wieder auf dem Rückweg zu sein? Wie sind Menschen aus anderen Ländern, welchen Humor haben sie und kann ich wirklich mit allen Kulturen dieser Welt Freundschaft schließen? 
Was bewährt sich in meinem Rucksack als wirklich notwendig? Wie viel brauche ich zum Leben? Und was ist das für ein Gefühl, wenn man nach Lust und Laune einfach dahin gehen kann, wo es einen gerade hinzieht? 
Wie frei kann ein Mensch sich fühlen?

Tausende von banalen und weniger banalen Fragen und eine unstillbare Neugier die Antworten darauf zu finden, haben mich keine Sekunde zögern lassen nach dem Abitur ein Stück der Welt zu erkunden. 
„Auf eigene Faust“ waren genau die zwischen all den Überlegungen und Bedenken von Eltern und Familie immer wieder aufkommenden Worte, die das bevorstehende Abenteuer so unglaublich reizvoll für mich machten. 
Ich wollte mein eigenes Ding durchziehen, mir etwas aus dem Leben nehmen, das mir wiederum niemand nehmen kann. Etwas, das ich nur mit mir selber teilen werde. 

Nach den anstrengenden Monaten gefüllt mit Lernerei fürs Abitur, fühlte ich mich für kurze Zeit gereift und glaubte während meiner Schulzeit Relevantes gelernt zu haben. 
Doch das Gefühl verblasste nach der Entlassung ins Leben schnell und ich war überzeugt, dass ich im Grunde nichts vom wahren Leben wusste.
Die Chance mit einem Work and Travel Programm im wunderschönen Australien das Leben beim Schopfe zu packen, Arbeitserfahrungen zu sammeln und den Ernst des Lebens noch ein bisschen warten zu lassen, konnte ich mir also kaum entgehen lassen.
Später stellte sich heraus, dass ich vor Antritt dieser Reise nicht im Ansatz hätte fassen oder wissen können, was noch für unzählig kostbare Erfahrungen auf mich zu kommen würden. Denn Vieles hätte ich mir in meinen schönsten Träumen nicht ausmalen können.

„JETZT ist der richtige Zeitpunkt! Nie wieder werde ich so jung sein, und vielleicht nie wieder so offen und wissbegierig“, dachte ich mir und meldete mich mit einem totalen Gefühlschaos für das Work and Travel Programm an, das mich in weniger als 3 Monaten nach Cairns bringen würde. Cairns ist eine kleine Stadt im Nordosten Australiens, von deren Hafen das weltbekannte Great Barrier Reef schnell zu erreichen ist.
Jungen Menschen wird so oft noch Naivität nachgesagt und ich kann guten Gewissens behaupten, dass ich sogar dankbar war, noch ein wenig dieser in mir zu tragen. Ich glaube nämlich ganz fest daran, dass ich erst dank meiner Neugier und Offenheit für Neues empfänglich wurde, bereit war, Vorurteile zu widerlegen, die Welt aus einer anderen Perspektive zu sehen und endlich zu lernen, über den Tellerrand zu blicken.
Dieses Geschenk wollte ich nutzen, solange ich mich noch formbar und flexibel fühlte. 
Es gab keinen ausschlaggebenden Anlass, der mich dazu brachte, meine vertraute Welt hinter mir zu lassen. Es waren wohl – wie sagt man so schön – die Hummeln im Allerwertesten, die es mir einfach schwer machten es nicht zu tun.


Als ich nach meiner ersten Etappe von Cairns nach Brisbane gelangte, verliebte ich mich auf Anhieb in die Stadt. Also entschloss ich mich, im wunderschönen Brisbane sesshaft zu werden, um meine ersten Dollar zu verdienen.
Nachdem ich unzählige Bewerbungen eingereicht hatte, wurde ich nach einer Probearbeitsstunde in der Restaurantkette "Nandos" als Kassiererin für Tages- und Nachtschichten eingestellt. Nandos ist ein Schnellrestaurant, das Hähnchen in jeglichen nur vorstellbaren Varianten zubereitet. Hähnchen in Wraps, Burgern, Salaten, mit scharfen Saucen oder ab und zu auch unabsichtlich verbrannt.
Obwohl es primär meine Aufgabe war Bestellungen aufzunehmen und die Gäste bei der Menüauswahl zu beraten, war ich nach kurzer Zeit auch dafür zuständig, die Nandos Hähnchen auf dem Grill zu wenden. Ich war stolz, dass mein Arbeitgeber so viel Vertrauen in mich hatte. Denn gerade im ersten Monat war ich in der englischen Sprache noch recht unsicher. Aber zum Glück steckt die australische Mentalität einen schnell an. Anstatt mich durch Selbstzweifel ermutigen zu lassen, habe ich mich selber mit der „No Worries“-Einstellung entspannt, wenn ich wieder zum dritten Mal nachfragen musste, was der Kunde gerne für ein Menü hätte.
Mein zweiter Nebenjob in Brisbane war eine harte, aber sehr lehrreiche Erfahrung. “Child Fund“ ist eine Wohltätigkeitsagentur, die Kinder in dritte Weltländern mit Patenschaften unterstützt. Dafür gehen täglich „Fundraiser“ auf die Straße und versuchen Menschen davon zu überzeugen, dass sie etwas Gutes tun können. Sehr interessant war der 4-tägige Workshop im Voraus, in dem wir lernten auf Menschen zuzugehen und durch Redestrategien mit einem völlig Fremden einen Smalltalk anzufangen. Die Bilanz nach 2 Wochen waren platte Füße, 15 Patenschaften, die nun hoffentlich Kindern ermöglichen in die Schule zu gehen und totaler Schlafmangel.

In der Großstadt Melbourne durfte ich mich nach weiteren Reiseabenteuern für drei Monate zu Hause fühlen und arbeitete als Kellnerin in einem kleinen Cafe.
Auch wenn es klischeehaft klingt, bewahrheitet es sich eben doch immer wieder aufs Neue: Deutsche Ordnung und Pünktlichkeit werden mit Dankbarkeit und Respekt belohnt.
Die Stühle an die Tische rücken und Salz und Pfefferstreuer mittig auf den Tisch schieben waren keine mir explizit zugeteilten Aufgaben, sondern für mich selbstverständliche Dinge, die mir ins Auge sprangen. Meine Chefin war trotzdem jedes Mal erneut über meinen Einsatz erfreut. 
Im Laufe der Zeit sollte ich auch Kaffee kochen, was zuerst relativ einfach klang. Es stellte sich jedoch heraus, dass Kaffee in Australien um einiges größer geschrieben wird. 
Als mir mein Chef erklärte, ich dürfte die aufgeschäumte Milch nur in derselben Richtung der Erdumlaufbahn rühren, musste ich schmunzeln und sagte natürlich einfach nur: „No Worries Mate!“ An meinen freien Tagen bin ich oft auf einen heißen Kakao vorbei gekommen. Die Menschen im Cafe sind nach kurzer Zeit meine Familie geworden.
Über Transportmittel hatte ich mir zu Hause den Kopf noch nicht zerbrochen und wie sich herausstellte, wäre dies auch unnötig gewesen. In Cairns gestartet, traf ich auf zwei nette Jungs aus Hamburg, die sich zuvor einen Van gekauft hatten. Wir machten uns zusammen mit dem alten Campervan auf den Weg in den Regenwald.
Die erste Woche war sehr kontrastreich zu dem wohlbehüteten Zuhause. Anstatt weicher Matratze und fließend Wasser, campten wir im Regenwald neben Krokodilflüssen und teilten unser Zelt mit hartnäckigen Moskitos. Campervans sind mir während meines gesamten Aufenthalts immer wieder als Wegbegleiter für kleinere Strecken begegnet. Man erlebt das Reisen intensiver, wenn man selber die langen Distanzen zurücklegt. Spontan haben sich oft die besten Fahrgemeinschaften ergeben. Dennoch dienten Busorganisationen als ein guter Rückhalt. 
Alleine schon zu wissen, dass man mit einem Bus weiterreisen kann, wenn sich keine Fahrgelegenheit mehr ergibt, hat mir immer ein sicheres Gefühl gegeben.
Mit einem Freund aus Bayern fuhr ich die Great Ocean Road entlang. Diese Küstenstraße erstreckt sich südwestlich von Melbourne. Wir haben Lieder gesungen und uns wehte der Fahrwind ins Gesicht. Welches Gefühl könnte mich nun der Freiheit noch näher bringen? 
Inlandsflüge habe ich auch des Öfteren wahrgenommen. Erst nach dem Flug von Sydney nach Perth begriff ich, welche Entfernungen man überwinden muss, um Australien zu bereisen.
Meine Reisehighlights waren Neuseeland sowie die Westküste Australiens. „Wenn ich schon einmal hier unten bin, dann will ich auch Neuseeland kennenlernen.“
Neuseeland hat mich sehr überrascht, denn es ist landschaftlich ein völliger Kontrast zu Australien. Im Maoriland blüht alles grün, die Flora erinnert an den Regenwald, die Berge an die Schweiz, die Seen an Schweden, einige Landstreifen an Schottland und doch ist Neuseeland ganz individuell. Auf der Nordinsel Neuseelands bin ich die 7-stündige Wanderung „Tongariro Crossing“ mitgelaufen. Es hätte mich nicht gewundert, wären Frodo und Sam mir auf der Spitze des Berges begegnet, um den Ring in das Feuer des Schicksalsberges zu werfen. Eine Landschaft wie aus dem Film „der Herr der Ringe“. Von so etwas Schönem musste ich mich selber überzeugen und es ist wahr: Neuseeland hat einzigartigen Charme.
Unberührte Flecken Natur, eine beruhigende Stille und Harmonie zwischen Mensch und Land scheinen in Neuseeland zu Hause zu sein. An der Westküste Australiens haben als starker Kontrast zu der grünen Ostküste des Landes rote Erde und felsige Küsten auf mich gewartet. Der einsame Westen Australiens war ein gelungener Abschluss meiner Reise. Zu Beginn war es eine gute Entscheidung mit der Masse der Backpacker unterwegs zu sein, aber nach all den Monaten suchte ich die Ruhe. Ich habe zu Beginn nie an den Westen gedacht, sondern wollte immer erst im bekannten Sydney gewesen sein, dabei ist die Westküste ein Teil der Erde, den man nicht länger warten lassen sollte.

Meine Zeit ist einmalig gewesen, weil mein Auslandsaufenthalt ein Tausch zweier völlig unterschiedlicher Welten war. 
Vertrautes gegen Neues. 
Eingefahrene Meinungen gegen offenes Denken. 
Suchen gegen Finden.
Denn abgesehen von all den atemberaubenden Landschaften, den unvergesslichen Begegnungen und Freundschaften, von denen ich ein Leben lang zehren werde, befand ich mich unbewusst auch auf einer Reise zu mir selbst. Ich habe mich besser kennengelernt und viele Seiten an mir entdeckt, die ich vorher noch nicht kannte. 
Ich glaube etwas schwer zu Erklärendes gefunden zu haben: Den Gedanken an die erfahrene Freiheit, der mir auch zurück im Alltag stets ein Lächeln auf mein Gesicht bringen kann. 
Jeder einzelne Moment ist wohl einmalig gewesen, und doch gab es diesen einen Tag in dem verschlafenen Ort Coral Bay an der Westküste, den ich immer als Inbegriff meines Abenteuers nenne. Dort bekam ich das Gefühl, als wäre ich an einem Punkt angekommen, an dem meine Reise ein Ziel gefunden hat. Örtlich sowohl als auch geistig.
Trotz der Tatsache, dass sich eine ziemlich große Flaute in meinem Portemonnaie breit gemacht hatte, war ich in meinem ganzen Leben nie reicher gewesen. Einmalig waren lustige Momente, über deren Insiderwitze ich jetzt noch herzlich lachen muss. Unterhaltungen und lehrreiche Meinungen anderer Menschen. Roadtrips durch den Regenwald. Die schönsten Strände der Welt. Mit Delfinen im Meer schwimmen. Ein flauschiger Koala, der am Straßenrand der Great Ocean Road saß. Schnorchelausflüge durch Korallenriffe mit einer wunderschönen Farbenvielfalt. Eine unabsichtliche Begegnung mit einem kleinen Hai, der mir durch die Beine schwamm. Eine Höhlenbesichtigung in Neuseeland, in denen tausende von Glühwürmern im Dunkeln einen Sternenhimmel zeichnen. Hostelpartys und ein Tandemsprung im Hippieort Byron Bay.
Die Leichtigkeit, die mich durch Australien trug und die Unbefangenheit, mit der ich neue Eindrücke aufgenommen habe, sind ein ewiges und sicherlich einmaliges Geschenk. Australier sind mir als sehr freundliche und hilfsbereite Menschen begegnet und es kam selten vor, dass ich mit einer Stadtkarte vor der Nase länger als 2 Minuten in einer Straße verloren war. Sofort gingen Menschen auf mich zu und wollten mir helfen. Es ist wertvoll, sich so willkommen zu fühlen und toleriert zu werden. Die „No Worries-Einstellung“ möchte ich für immer bewahren, denn von der Gelassenheit der Australier müssten sich viele Menschen noch eine Scheibe abschneiden.
Seit dem Moment, da ich in Sydney in das Flugzeug Richtung Heimat gestiegen bin, spüre ich das lodernde Fernweh, das von nun an ewig in mir brennen wird. 
Es ist ein anhaltendes Gefühl der Sehnsucht.
Wenn ich heute Bilder schaue und meiner Familie von all den Erinnerungen erzähle, die jedes Bild aufkommen lässt, weiß ich trotz ihren offenen Ohren und ihrem ehrlichen Interesse, dass es ganz alleine mein „Ding“ war, das ich nur mit mir selber teile. 
Und das ist ein wundervolles Gefühl.

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